Freitag, 21. März 2014

[REZENSION] Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown



Titel: Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown
Originaltitel: Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown
Autoren: Anne Helene Bubenzer
Reihe: nein
Seiten: 416
Preis: 20,00€
Bewertung: ♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥


Henry N. Brown wird am 16. Juli 1921 geboren. Er erblickt das Licht der Welt, als ihm das zweite Auge angenäht wird. So beginnt ein Leben, wie es turbulenter nicht sein kann. Eine Odyssee durch Europa, durch das zwanzigste Jahrhundert, durch Krieg und Frieden, Angst und Hoffnung, Sehnsucht und Glück – gesehen durch die Augen und erlebt mit dem Herzen eines Teddybären.
Doch während all der Jahre hat niemand entdeckt, dass Henry einen kleinen Gegenstand in der Brust trägt, den er für sich immer nur „Die Liebe“ nennt. Ein Geheimnis, das er sein ganzes Leben lang bewahrt und das nicht einmal er selbst kennt.

 

Das Cover ist recht schlicht gehalten, passt aber perfekt zur Geschichte. Es kommt genau wie die gesamte Erzählung ohne viel Kitsch und Schnickschnack aus, wirkt aber dennoch gefühlvoll gestaltet. Es wirkt alt und gebraucht, aber genau das macht einen gewissen Charme aus, der mir sehr gut gefällt.


Vor einer halben Stunde habe ich an der Sicherheitskontrolle Alarm ausgelöst.

 

Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown war für mich wirklich ein ganz besonderes Buch. Noch nie haben es 413  Seiten so oft geschafft mich in tiefer Trauer oder auch Freude in Tränen ausbrechen zu lassen, oder mich so oft lachen lassen.

Die Geschichte wird erzählt von einem Bären, Henry N. Brown, ursprünglich geboren als Henry Brown (das N. wurde seinem Namen erst später hinzugefügt) Er erzählt mit viel Gefühl sein Leben vom Augenblick seiner Geburt bis zum heutigen Tag.
Wer in diesem Roman spannende Action erwartet ist leider sehr fehl am Platz. Um ehrlich zu sein würde es mich wundern, wenn jemand mit solch einer Erwartung überhaupt bis hier hin gelesen hat.

Die Geschichte beginnt in der heutigen Zeit. Der kleine Teddy wird von einer Schriftstellerin auf einem Flughafen durch die Sicherheitskontrolle transportiert und für „auffällig“ befunden. Henry N. Brown ist schockiert und kann den ganzen Aufruhr nicht verstehen, genau wie die Schriftstellerin.

„Ich war erstaunt, erschreckt und konsterniert. Die Tatsache, dass es möglich ist, ohne weiteres durch mich hindurchzusehen, traf mich völlig unvorbereitet. Es ist offenbar ein Leichtes, mein Innerstes zu betrachten und das zu entdecken, was ich während der vergangen vierundachtzig Jahre für mein best gehütetes Geheimnis gehalten habe.“ (S. 13)

Die Geschichte wechselt immer wieder zwischen der heutigen Zeit, der Situation am Flughafen, und den Erlebnissen, die Henry N. Brown während der letzten vierundachtzig Jahre miterlebt hat. Man kann es fast als kleine Geschichten in der großen Geschichte bezeichnen, denn jede Szene enthält neue Situationen in denen man schmunzeln muss, hält neue seichte Abenteuer für den stummen Teddybär bereit und entführt den Leser in eine vollkommen andere Welt.
In der ersten „Geschichte“ beginnt das eigentliche Leben Henry N. Browns. Er erblickt das Licht der Welt, als ihm von Alice Sheridan das zweite Auge angenäht wird.

„Ich hörte. Ich sah. Ich war.“ (S. 23)

Sofort beginnt der kleine Teddy zu denken, sich neugierig umzublicken und alles Leben um ihn herum in sich aufzusaugen. Dies tut er auf so niedliche Art und Weise, dass ich ihn sofort ins Herz schließen musste. Auch ohne Worte schafft er es die junge Alice, deren  Partner nicht aus dem Krieg zurückgekehrt ist, zu trösten und schafft es sich mit seinem großen Herzen durch bloßes Beobachten und Zuhören ein Bild von der jungen Frau zu machen.
Bei Alice lernt er die ersten kleineren Gefahren - in Form eines Katers - kennen, erfährt einiges über die Menschen und genießt sein Leben als Trostbär für diese unglückliche Frau.
In ähnliche Situationen gerät er immer wieder auf seiner achtzigjährigen Reise durch ganz Europa. Seine Besitzer sind immer grundverschieden, wohnen in vollkommen unterschiedlichen Regionen und Verhältnissen, doch eins haben alle gemein: Sie brauchen Henry, weil sie sich sonst einsam und verlassen fühlen. Und diese starke Emotionalität hat die Autorin durch den Blick des Teddybären so gut beschrieben und erzählt, dass ich mir gar nicht vorstellen kann, wie man es besser machen könnte.
Während der ganzen Jahre trägt der Teddy ein Geheimnis in sich, welches er selbst gar nicht genau kennt. Für ihn heißt es immer nur „Die Liebe“. Sie begleitet ihn, während er verloren, verschenkt oder gar vergessen wird. Seine Besitzer kann er sich natürlich auf Grund seiner Bewegungsunfähigkeit nicht aussuchen, aber nur deshalb lernt Henry so viele verschiedene Menschen kennen und erfährt soviel über sie, dass man von diesem kleinen Plüschbär viel lernen kann.

Mir hat es sehr viel Spaß gemacht das Buch zu lesen. Für mich persönlich war das Interessanteste an der Geschichte sich in diesen stummen, wehrlosen Zuschauer hineinzuversetzen. Zwar ist Henry N. Brown ein offensichtlich sehr cleverer Teddybär, durchdenkt Situationen ausgiebig und weiß immer einen Kommentar zu denken, aber er kann – wie eben typisch für einen Teddy – einfach nicht handeln.  Er kann sich nicht bewegen, nicht sprechen und nicht im Mindesten auf sich aufmerksam machen. Dies macht ihn zu einem ganz besonderen Erzähler, führt aber leider auch zu einigen sehr dramatischen und traurigen Situationen. So floss bei mir die erste kleine Träne, als der Teddy das erste Mal verloren ging. Sehr viele weitere folgten. Das ganze Buch ist oft sehr traurig, oft auch sehr schön, und auf allen 413 Seiten sehr emotional. Wer wie ich nah am Wasser gebaut ist, sollte die Taschentücher bereitstellen.
Dieses Buch erzählt wunderbar über Dinge, die den Menschen ausmachen. Es erzählt von Liebe, Hass, Trost und dem Verzeihen. Durch die Augen des Teddys wirken all diese Dinge so kostbar und werden mit soviel Verstand beobachtet und durchdacht, dass man sich selbst nach der letzten Seite ein wenig anders betrachtet als zuvor.


Das Buch ist absolut nichts für Menschen, die auf nervenzerfetzende Spannung oder Action stehen. Aber für jeden, der eine einfach schöne Geschichte lesen will, die aus einem sehr spannenden und sehr außergewöhnlichen Blickwinkel geschrieben ist (und vielleicht auch zumindest ein wenig Interesse an Geschichte mitbringt), kann ich Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown für ein paar laue Sommerabende (oder kalte Winternächte) wärmstens empfehlen.
Jeder Mensch der Gefühle hat und sich gern mit diesen auseinander setzt, muss dieses Buch einfach lieben! Ich tue es. :)
Von mir gibt es dafür zehn von zehn Cupcakes.



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