Freitag, 12. April 2013

[REZENSION] Weltenträumer



Titel: Weltenträumer
Originaltitel: Chistovik (The Final Draft)
Autor: Sergej Lukianenko
Genre: Fantasy/Science-Fiction
  
 

Die faszinierende Fortsetzung von Weltengänger: Merkwürdige Dinge geschehen in Moskau. Als Kirill Maximov eines Abends nach Hause kommt, behauptet eine ihm völlig unbekannte Frau, sie wohne hier schon seit Jahren. Damit nicht genug: Auch an seinem Arbeitsplatz ist Kirill niemandem bekannt, und sogar seine Freunde und Verwandten haben vergessen, dass er je existiert hat.
Völlig verwirrt, wird Kirill durch einen anonymen Anruf schließlich zu einem verlassenen Wasserturm geleitet – wo ihm eine atemberaubende Enthüllung gemacht wird: Man hat ihn aus seiner Existenz gerissen, um ihn zu einem sogenannten »Funktional« zu machen. Als solcher hat er die Aufgabe, die Grenze zwischen etlichen parallelen Welten zu überwachen. Doch wer hat diese Parallelwelten geschaffen? Und wozu?


 

Tja…da ich bei diesem Buch lediglich das Ebook gelesen habe, kann ich zur Buchgestaltung recht wenig sagen. Auf meinem Tablett sah es jedenfalls aus wie ein ganz gewöhnliches Buch. ;)
Allerdings kann ich mich daran erinnern, dass ich beim Durchblättern im Buchladen zu Beginn jedes Kapitels eine abstrakte Konstellation aus Dreiecken und Strichen gesehen habe (wie sie auch auf dem Cover zu finden sind), die mich im entfernt irgendwie immer an eine Art Kristalle (vielleicht ist es auch einfach nur Gekritzel?) erinnert haben und das Buch dadurch ein wenig auflockern. Ich mag solche Elemente, die zur Stimmung im Buch beitragen eigentlich ganz gern. In dem Falle hat es im Zusammenhang mit der Story auf jeden Fall etwas Futuristisches an sich die Kristalle – oder auch das Gekritzel – zum jeweiligen Titelbeginn zu sehen.
Das Cover zeigt ein imposantes Gebäude, welches durch den überdimensional vergrößerten Himmelskörper im Hintergrund gleich auf eine etwas skurrile Welt hinweist. Im Vordergrund fliegen ein paar Raben (?), deren Zusammenhang mit der Geschichte mit allerdings etwas unklar ist. Ganz hübsch ist der silberne Schriftzug, welcher auf der Unterseite des Buches prangt.
Zu meinen Lieblingscovern gehört dieses Cover um ehrlich zu sein nicht, was auch der Grund ist, wieso es nur als E-Book in mein Repertoire gewandert ist. Allerdings kann ich nicht bestreiten, dass das Cover durchaus zur Geschichte passt.

 

Bahnhöfe sind Orte der Transformation.

  

Zu Beginn sollte ich unbedingt erwähnen, dass ich vor gut einem Jahr den ersten Band der Reihe, Weltengänger, gelesen habe und mich dieses Buch – ich kann es nicht anders ausdrücken – sowas von derb weggeflasht hat, dass ich daraufhin regelrecht fanatisch begonnen habe wieder mehr Bücher zu lesen. Bisher hatte ich das nur nebenbei gelegentlich getan, aber dieses Buch hat mich so eindrucksvoll davon überzeugt, dass es so viele gute Geschichten in der Welt gibt, die verschlungen werden MÜSSEN. Also ja, Weltengänger war für mich wirklich ein sagenhaftes Buch, dank dem ich ein altes Hobby habe wieder aktiv habe aufleben lassen.
Aber genug davon und mehr vom Teil zwei der Reihe!
Nachdem ich nun von Teil eins so überzeugt war, bin ich offen gesagt von Weltenträumer etwas enttäuscht worden. Die Geschichte ist nach wie vor unglaublich komplex und Lukianenko weiß wie man jemandem der zwar Eltern hat, die in der DDR aufgewachsen sind, der allerdings sonst keinen blassen Dunst von russischer Kultur hat, eben diese zwischen seiner Weltenkonstruktion nahe bringen kann. Schreiben kann er, daran besteht kein Zweifel! Und es ist immer wieder sehr unterhaltsam die gedanklichen Seitensprünge der Figur zu verfolgen. Das Buch war wie auch Teil eins sehr kurzweilig und flüssig zu lesen.
Wo Weltenträumer jedoch eher auf den Entwurf der verschiedenen Welten baut, entwickelt Weltenträumer sich sehr schnell eher zu einem Abenteuerroman. Es knüpft beinahe nahtlos an den ersten Teil an. Kirill ist nun auf der Flucht vor den Männern aus Arkan und hat teilweise seine Fähigkeiten als Funktional eingebüßt. Man begleitet den Protagonisten dabei, wie er sich auf die Suche nach der Heimat der Funktionale begibt und dabei gerät er in mehrere vertrackte Situationen, die oft nur durch Gewalt, Flucht oder halsbrecherische Aktionen zu bestehen sind. Hierbei begegnet er erneut verschiedenen Charakteren, die teilweise utopisch gespinnt, teilweise sehr realistisch dargestellt sind, manchmal gar ein wenig satirehaft.
Nach wie vor sind die von Lukianenko entworfenen Welten faszinierend und einfach atemberaubend detailreich beschrieben. So beschließt Kirill sich unter anderem in eine Welt zu begeben, die bisher von keinem bekannten Menschen erforscht wurde. Der Autor bedient sich immer wieder der Phantasie des Lesers. Rein fantasietechnisch und bildlich ist das Buch nach wie vor mehr als ansprechend und mitreißend.
Lukianenko spielt auch hierbei erneut mit philosophischen Gedanken und einer Vielzahl von Theorien, die er in seine Welten einfließen lässt. Er beschäftigt sich mit Dingen wie, was geschehen wäre, wenn ein bestimmter Schriftsteller ein bestimmtes Buch nicht veröffentlich hätte, wie hätte sich die Welt entwickelt, wenn Hitler Vegetarier wäre, oder weiteren Gedanken, die man am Rande aufgreifen kann. Das Gedankenkonstrukt um die Welten herum ist mehr als interessant und hier zeichnet sich für mich auch sehr die Einzigartigkeit des Buches aus. Lukianenko spielt gekonnt mit verschiedenen Weltenentwürfen, die durchdacht und sehr originell sind.
Allerdings gestaltete sich für mich die Geschichte, die nun ihren Fortgang findet, etwas komplizierter. So sind mir die Beweggründe des Protagonisten teilweise etwas schleierhaft geblieben. Kirill hatte für mich des Öfteren eine Art kleinen Rambo-Komplex, der nicht selten unrealistisch und übertrieben dargestellt wurde. So wird er hier immer mehr zum Übermenschen, was zwar für seine Fähigkeiten als Funktional spricht, aber etwas die Spannung nimmt, da es irgendwie klar ist, dass er sich mit seinen überdimensionierten Fähigkeiten einen Weg sucht, egal wie viel Blut dabei vergossen wird. Und auch in anderen Bereichen trifft man hier sehr oft, beinahe schon fast störend, auf die Unfehlbarkeit des Protagonisten. Keine Frau ist sicher vor ihm, jede will sich ihm hingeben. Es scheint, als wäre Kirill mit seinen Funktionalsfähigkeiten zum perfekten Menschen mutiert, der einfach alles kann und alles schafft.
Gegen Ende hin wirkt die Geschichte einfach nur etwas wirr, zwar erhält man hier und da noch Häppchen, um nicht mit einem gigantischen Fragezeichen im Gesicht dazustehen, aber vollends ausgefeilt wirkt der Ausgang der Geschichte nicht. Die gesamte Auflösung der Geschichte, wo man eigentlich darauf gewartet hat endlich Antworten auf seine Fragen zu finden, ist im Endeffekt umso ernüchternder. Zwar fühlt sich das Ende nach einem endgültigen Ende an, aber man wünscht sich beinahe, dass es noch einen dritten Teil der Reihe geben wird, weil man so regelrecht unbefriedigt mit der Geschichte einfach nicht abschließen kann. Da das Buch nun jedoch schon an die 5 Jahre alt ist, bezweifle ich, dass es noch eine Fortsetzung geben wird, was mich noch enttäuschter macht. (Falls jemand Hinweise auf anderes hat, freue ich mich sehr über Nachrichten! =) )
Trotz allem war das Buch dennoch spannend, diesmal leider aber ohne den gewünschten Tiefgang. Da konnten auch nicht die oft philosophischen Einleitungen des Autors zu Kapitelbeginn nicht helfen. Der Roman ist zwar durchsetzt von Selbstironie, doch das gelegentliche Schmunzeln wie beim Vorgänger blieb hier bei mir leider aus. Es wirkt fast, als hätte Lukianenko sein Pulver bereits in Teil eins fast vollkommen verschossen, was wirklich sehr schade ist.

 

Das Buch bildet zwar ein Art Abschluss der Reihe, aber keinen, der durchweg befriedigt. Lukianenko ist nach wie vor sprachlich sehr gewandt und weiß zu unterhalten, besonders seine Weltenentwürfe sind mehr als fantastisch. Zusammen sind die Bücher durchaus lesenswert, wer bereits am ersten Teil Gefallen gefunden hat, sollte auf die Fortsetzung keinesfalls verzichten, jedoch seine Erwartungen in Sachen Tiefgang herunterschrauben.
Von mir gibt es dafür fünf von zehn Cupcakes. 
 

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