Mittwoch, 2. April 2014

[REZENSION] Wie wir das Universum reparierten



Titel: Wie wir das Universum reparierten
Originaltitel: The Corpse of the Bare-Boned Plane
Autor: Polly Horvath
Reihe: nein
Seiten: 304
Preis: 14,99€
Verlag: bloomoon
Bewertung: ♥♥♥♥••••••
 
 

Als die Cousinen Meline und Jocelyn bei einem Unfall ihre Eltern verlieren, werden sie zu ihrem reichen Onkel Marten auf dessen private Insel geschickt. Der Onkel ist ein menschenscheuer Exzentriker, der versucht, eine wissenschaftliche Formel zu finden, um das Schicksal der Welt zu verändern. Mit seinen beiden Nichten möchte er so wenig wie möglich zu tun haben. Meline und Jocelyn beginnen auf eigene Faust die Insel zu erkunden und entdecken ein altes Geheimnis, das längst in Vergessenheit geraten war ...

Polly Horvath erzählt mit "Wie wir das Universum reparierten" eine zugleich lustige und tieftraurige Geschichte über den Verlust und den Versuch noch einmal von vorn zu beginnen.

 

Auf irgendeine Art und Weise mag ich das Buchcover richtig, richtig gern. Es hat so einen düsteren, gleichzeitig aber vertrauten und wärmenden Touch, den ich schwer in Worte fassen kann. Es ist sehr liebevoll gezeichnet und der Aquarellstil wirkt etwas schwammig und verzerrt, was sehr gut zu den einzelnen Figuren in der Geschichte passt.

 

An dem Abend, an dem ich mein Elternhaus in Hyannis Port verließ, war es stockfinster.

 

Wie wir das Universum reparierten beginnt wie viele andere Geschichten: Ein Mädchen, oder in diesem Fall auch zwei Mädchen, Meline und Jocelyn, verlieren ihre Eltern bei einem tragischen Unglück. Das ist zwar nicht neu, aber mit dieser Thematik kann man Figuren immer recht schnell in ein komplett neues Leben versetzten, weshalb es meiner Meinung nach auch noch nicht ausgelutscht ist.
Die beiden Mädchen werden von ihrem neuen Vormund, ihrem Onkel Marten Knockers auf einer einsamen Insel mit einer großen viktorianischen Villa aufgenommen. Jedoch wird ziemlich schnell klar, dass der exzentrische und menschenscheue Marten mit der Situation vollkommen überfordert ist und mit den beiden Mädchen nur sehr schwer klar kommt.
Er selbst lebt seit Jahren allein auf dieser Insel, isst jeden Abend Makkaroni mit Käse und Hotdogs und bekommt sämtliche Pakete, die er übers Internet bestellt, als sprichwörtliche Luftpost, denn diese werden regelmäßig aus einem Hubschrauber einfach abgeworfen, was natürlich als logische Konsequenz hat, dass nicht immer alles heile bleibt. Dieses Schicksal hat Marten Knockers sich selbst ausgesucht; und wenn es nach ihm ginge, hätte es auch so bleiben sollen.
Damit die beiden Mädchen jedoch nicht vollkommen auf sich allein gestellt sind, engagiert der Hausherr eine Haushälterin, Mrs. Mendelbaum, die mit ihrer ruppigen jüdischen Art alles andere als sanft und liebreizend ist und Marten des Öfteren fast in den Wahnsinn treibt. Aber da das auch auf Gegenseitigkeit beruht, macht das nichts.

Die Geschichte handelt hauptsächlich von menschlichen Beziehungen, dem Umgang mit Trauer und Verlust. Das war für mich persönlich gleichzeitig Segen, aber auch Fluch. Zwar sind die Beziehungen der Figuren zueinander wirklich wunderbar beschrieben und ihre Charaktere sind jeweils sehr einzigartig. Doch gleichzeitig ist es schwierig bei einem Buch mit diesem Thema als Schwerpunkt eine wirklich gute Geschichte zu schreiben, die gleichzeitig auch noch spannend ist. In diesem Buch passiert einfach NICHTS.
Zwar kommen nacheinander diverse Figuren dazu, die einen mehr oder weniger gut unterhalten, und es gibt eine Art Handlung, mit der versucht wird mit der Trauer umzugehen, aber das gesamte Konzept beruht auf allen 304 Seiten auf den zwischenmenschlichen Begegnungen, Gedanken und Empfindungen. Da nützt es nichts, dass noch so wunderschön erzählt wird, wieviel man durchhalten kann, auch wenn einem so schreckliche Dinge wiederfahren sind.
Schade eigentlich, denn im Klappentext erfahren wir ja schon von den Forschungen des Onkels. Immer wieder wird im Buch davon gesprochen, aber genauso gut könnte Marten Knockers Direktor eines Zoos sein, der nur aus Schimpansen mit Luftballons um den Hals besteht. Das hat ebenso wenig mit der eigentlichen Geschichte zu tun.

Hätte man die ganzen Emotionen in eine runde und spannende Geschichte gepackt, wäre das Buch echt top gewesen!
Denn Polly Horvath hat es geschafft sich wirklich einzigartige und teilweise vollkommen verquere Charaktere auszudenken. Die Geschichte wird in verschieden Abschnitte unterteilt, die jeweils aus der Perspektive der jeweiligen Figur geschrieben sind.
Ich fand es wirklich sehr gut, dass man sofort an der Art und Weise des Denkens der Figuren schon nach wenigen Seiten gleich gemerkt hat, um welche Figur es sich handelt, auch ohne den Titel zu lesen.
Meline ist 15, kommt aus einer nicht unbedingt reichen Familie, ist etwas burschikos und will nichts davon wissen eine Beziehung zu anderen Menschen aufzubauen, geschweige den ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen.
Jocelyn ist 16 und von Beruf versnobte Britin. Sie ist schön, dünn, still und sehr stolz auf Ihre Herkunft. Sie hält nicht viel von Kanadiern oder Amerikanern und fühlt sich von allen irgendwie missverstanden.
Mr. Humdinger wird nach einiger Zeit zusätzlich als Butler eingestellt und ist ein geisterhafter großer stiller Mann, der ein wenig random Pfefferminzbonbons verteilt und sich immer still und heimlich an andere heranschleicht.
Mrs. Mendelbaum hingegen ist eine aufbrausende Frau, die sich nichts sagen lässt. Ihr Hobby scheint es zu sein vor sich hinzufluchen, manchmal auf englisch, deutsch oder auf jüdisch, je nachdem wie es ihr gerade in den Kram passt. Sie hat ihren sehr eigenen Kopf und liebt es offenbar Marten auf die Nerven zu gehen.
Womit wir zu Marten Knockers kommen – meinem absoluten Favoriten in dieser Geschichte. Nachdem er einen riesen Berg Geld angehäuft hat, hat er sich eine Insel gekauft, sie mit einer Villa bebaut und sammelt darin leidenschaftlich gerne Bücher. In seiner Villa verbringt er den ganzen Tag damit sich über Dinge wie negative Dichte Gedanken zu machen. Menschen generell gehen ihm ziemlich auf den Nerv und er kann oder will an Ihrem Schicksal einfach keinen Anteil nehmen. Oft hängt er stattdessen nur seinen eigenen verqueren, leicht sprunghaften Gedanken nach.

„So war ich zum Beispiel der festen Überzeugung, dass man sämtliche Mahlzeiten am besten über einen Schreibtisch gebeugt und mit der Nase in einem Buch zu sich nehmen sollte. Alles, was man isst, sollte zuvor in kleine Stücke geschnitten worden sein und dann mit einem Löffel aus einer Schüssel gegessen werden, damit man nicht von der Buchseite aufblicken muss, sondern das Essen einfach in sich hineinschaufeln kann.“ (S.33)

„Ich würde nicht nur mich selbst verwöhnen, sondern den gesamten Haushalt. Und selbst wenn meine Nichten keine Lust haben würden, mit grünroten Samtschleifen im Haar herumzulaufen, wäre das auch nicht weiter tragisch, denn es gab ja immer noch die Katze … ja, die Katze. Vielleicht sollten wir uns mehr Katzen anschaffen. Eine … eine ganze Katzenschar. Und alle mit Samtschleifen.“ (S.121)

Seine Textabschnitte brachten mich regelmäßig zum Schmunzeln und hielten mich trotz der mangelnden Story bei Laune. Um ehrlich zu sein habe ich glaube ich noch nie einen Charakter so gut verstanden wir Marten Knockers. Mit seiner verquer denkenden Art und seinem kindlichen Verhalten, ist er mir unglaublich ans Herz gewachsen.

Diese Art von „Familie“ ist wirklich  seltsam und skurril, aber dennoch passt jeder genauso gut auf diese Insel, wie Marten es tut. Jeder von Ihnen hat einen schweren Schicksalsschlag erlitten und versucht damit klarzukommen.
Die ganze Tragik und Komik liegen in dieser Geschichte sehr nah beieinander, was aber wunderbar von der Autorin gelöst wurde. Doch ich kann es nicht oft genug sagen, dass ich es so unglaublich schade finde, dass die Geschichte selbst so unglaublich lahm war. Denn auch das mysteriöse Geheimnis entpuppte sich als echt … lahm. So wurde auf den letzten paar Seiten meine Hoffnung vollkommen zunichte gemacht, dass in dieser Geschichte wenigstens irgendetwas passieren würde.

 

Polly Horvath hat eine gefühlvolle Geschichte erschaffen, die wunderbar das Thema der Trauer umfasst. Leider gibt die Story selbst aber nicht allzu viel her, um nicht zu sagen fast gar Nichts. Echt schade, denn die Charaktere sind wunderbar skurril und bilden eine schräge aber liebenswerte Art von Familie.
Wer sehr auf zwischenmenschliche Beziehungen und deren Analyse steht, kann dem Buch ruhig eine Chance geben, wer aber spannende Storys liebt, sollte die Finger davon lassen.
Von mir gibt es insgesamt leider nur vier von zehn Cupcakes.



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