Titel: Wie wir das Universum reparierten
Originaltitel: The Corpse of the Bare-Boned
Plane
Autor: Polly Horvath
Reihe: nein
Seiten: 304
Preis: 14,99€
Verlag: bloomoon
Bewertung: ♥♥♥♥••••••
Als die Cousinen Meline und
Jocelyn bei einem Unfall ihre Eltern verlieren, werden sie zu ihrem reichen
Onkel Marten auf dessen private Insel geschickt. Der Onkel ist ein
menschenscheuer Exzentriker, der versucht, eine wissenschaftliche Formel zu
finden, um das Schicksal der Welt zu verändern. Mit seinen beiden Nichten
möchte er so wenig wie möglich zu tun haben. Meline und Jocelyn beginnen auf
eigene Faust die Insel zu erkunden und entdecken ein altes Geheimnis, das
längst in Vergessenheit geraten war ...
Polly Horvath erzählt mit
"Wie wir das Universum reparierten" eine zugleich lustige und
tieftraurige Geschichte über den Verlust und den Versuch noch einmal von vorn
zu beginnen.
Auf irgendeine Art und Weise
mag ich das Buchcover richtig, richtig gern. Es hat so einen düsteren,
gleichzeitig aber vertrauten und wärmenden Touch, den ich schwer in Worte
fassen kann. Es ist sehr liebevoll gezeichnet und der Aquarellstil wirkt etwas schwammig
und verzerrt, was sehr gut zu den einzelnen Figuren in der Geschichte passt.
An dem Abend, an dem ich mein Elternhaus in Hyannis Port verließ, war
es stockfinster.
Wie wir das Universum reparierten beginnt wie viele andere
Geschichten: Ein Mädchen, oder in diesem Fall auch zwei Mädchen, Meline und
Jocelyn, verlieren ihre Eltern bei einem tragischen Unglück. Das ist zwar nicht
neu, aber mit dieser Thematik kann man Figuren immer recht schnell in ein
komplett neues Leben versetzten, weshalb es meiner Meinung nach auch noch nicht
ausgelutscht ist.
Die beiden Mädchen werden von
ihrem neuen Vormund, ihrem Onkel Marten Knockers auf einer einsamen Insel mit
einer großen viktorianischen Villa aufgenommen. Jedoch wird ziemlich schnell
klar, dass der exzentrische und menschenscheue Marten mit der Situation
vollkommen überfordert ist und mit den beiden Mädchen nur sehr schwer klar
kommt.
Er selbst lebt seit Jahren
allein auf dieser Insel, isst jeden Abend Makkaroni mit Käse und Hotdogs und
bekommt sämtliche Pakete, die er übers Internet bestellt, als sprichwörtliche
Luftpost, denn diese werden regelmäßig aus einem Hubschrauber einfach
abgeworfen, was natürlich als logische Konsequenz hat, dass nicht immer alles
heile bleibt. Dieses Schicksal hat Marten Knockers sich selbst ausgesucht; und
wenn es nach ihm ginge, hätte es auch so bleiben sollen.
Damit die beiden Mädchen
jedoch nicht vollkommen auf sich allein gestellt sind, engagiert der Hausherr
eine Haushälterin, Mrs. Mendelbaum, die mit ihrer ruppigen jüdischen Art alles
andere als sanft und liebreizend ist und Marten des Öfteren fast in den
Wahnsinn treibt. Aber da das auch auf Gegenseitigkeit beruht, macht das nichts.
Die Geschichte handelt
hauptsächlich von menschlichen Beziehungen, dem Umgang mit Trauer und Verlust.
Das war für mich persönlich gleichzeitig Segen, aber auch Fluch. Zwar sind die
Beziehungen der Figuren zueinander wirklich wunderbar beschrieben und ihre
Charaktere sind jeweils sehr einzigartig. Doch gleichzeitig ist es schwierig
bei einem Buch mit diesem Thema als Schwerpunkt eine wirklich gute Geschichte
zu schreiben, die gleichzeitig auch noch spannend ist. In diesem Buch passiert
einfach NICHTS.
Zwar kommen nacheinander
diverse Figuren dazu, die einen mehr oder weniger gut unterhalten, und es gibt
eine Art Handlung, mit der versucht wird mit der Trauer umzugehen, aber das
gesamte Konzept beruht auf allen 304 Seiten auf den zwischenmenschlichen
Begegnungen, Gedanken und Empfindungen. Da nützt es nichts, dass noch so
wunderschön erzählt wird, wieviel man durchhalten kann, auch wenn einem so
schreckliche Dinge wiederfahren sind.
Schade eigentlich, denn im
Klappentext erfahren wir ja schon von den Forschungen des Onkels. Immer wieder
wird im Buch davon gesprochen, aber genauso gut könnte Marten Knockers Direktor
eines Zoos sein, der nur aus Schimpansen mit Luftballons um den Hals besteht.
Das hat ebenso wenig mit der eigentlichen Geschichte zu tun.
Hätte man die ganzen Emotionen
in eine runde und spannende Geschichte gepackt, wäre das Buch echt top gewesen!
Denn Polly Horvath hat es
geschafft sich wirklich einzigartige und teilweise vollkommen verquere
Charaktere auszudenken. Die Geschichte wird in verschieden Abschnitte
unterteilt, die jeweils aus der Perspektive der jeweiligen Figur geschrieben
sind.
Ich fand es wirklich sehr gut,
dass man sofort an der Art und Weise des Denkens der Figuren schon nach wenigen
Seiten gleich gemerkt hat, um welche Figur es sich handelt, auch ohne den Titel
zu lesen.
Meline ist 15, kommt aus einer
nicht unbedingt reichen Familie, ist etwas burschikos und will nichts davon
wissen eine Beziehung zu anderen Menschen aufzubauen, geschweige den ihren
Gefühlen freien Lauf zu lassen.
Jocelyn ist 16 und von Beruf
versnobte Britin. Sie ist schön, dünn, still und sehr stolz auf Ihre Herkunft.
Sie hält nicht viel von Kanadiern oder Amerikanern und fühlt sich von allen
irgendwie missverstanden.
Mr. Humdinger wird nach
einiger Zeit zusätzlich als Butler eingestellt und ist ein geisterhafter großer
stiller Mann, der ein wenig random Pfefferminzbonbons verteilt und sich immer
still und heimlich an andere heranschleicht.
Mrs. Mendelbaum hingegen ist
eine aufbrausende Frau, die sich nichts sagen lässt. Ihr Hobby scheint es zu
sein vor sich hinzufluchen, manchmal auf englisch, deutsch oder auf jüdisch, je
nachdem wie es ihr gerade in den Kram passt. Sie hat ihren sehr eigenen Kopf
und liebt es offenbar Marten auf die Nerven zu gehen.
Womit wir zu Marten Knockers
kommen – meinem absoluten Favoriten in dieser Geschichte. Nachdem er einen
riesen Berg Geld angehäuft hat, hat er sich eine Insel gekauft, sie mit einer
Villa bebaut und sammelt darin leidenschaftlich gerne Bücher. In seiner Villa
verbringt er den ganzen Tag damit sich über Dinge wie negative Dichte Gedanken
zu machen. Menschen generell gehen ihm ziemlich auf den Nerv und er kann oder
will an Ihrem Schicksal einfach keinen Anteil nehmen. Oft hängt er stattdessen nur
seinen eigenen verqueren, leicht sprunghaften Gedanken nach.
„So war ich zum Beispiel der festen Überzeugung, dass man sämtliche
Mahlzeiten am besten über einen Schreibtisch gebeugt und mit der Nase in einem
Buch zu sich nehmen sollte. Alles, was man isst, sollte zuvor in kleine Stücke
geschnitten worden sein und dann mit einem Löffel aus einer Schüssel gegessen
werden, damit man nicht von der Buchseite aufblicken muss, sondern das Essen
einfach in sich hineinschaufeln kann.“ (S.33)
„Ich würde nicht nur mich selbst verwöhnen, sondern den gesamten
Haushalt. Und selbst wenn meine Nichten keine Lust haben würden, mit grünroten
Samtschleifen im Haar herumzulaufen, wäre das auch nicht weiter tragisch, denn es
gab ja immer noch die Katze … ja, die Katze. Vielleicht sollten wir uns mehr
Katzen anschaffen. Eine … eine ganze Katzenschar. Und alle mit Samtschleifen.“
(S.121)
Seine Textabschnitte brachten
mich regelmäßig zum Schmunzeln und hielten mich trotz der mangelnden Story bei
Laune. Um ehrlich zu sein habe ich glaube ich noch nie einen Charakter so gut
verstanden wir Marten Knockers. Mit seiner verquer denkenden Art und seinem
kindlichen Verhalten, ist er mir unglaublich ans Herz gewachsen.
Diese Art von „Familie“ ist
wirklich seltsam und skurril, aber
dennoch passt jeder genauso gut auf diese Insel, wie Marten es tut. Jeder von
Ihnen hat einen schweren Schicksalsschlag erlitten und versucht damit
klarzukommen.
Die ganze Tragik und Komik
liegen in dieser Geschichte sehr nah beieinander, was aber wunderbar von der
Autorin gelöst wurde. Doch ich kann es nicht oft genug sagen, dass ich es so
unglaublich schade finde, dass die Geschichte selbst so unglaublich lahm war.
Denn auch das mysteriöse Geheimnis entpuppte sich als echt … lahm. So wurde auf
den letzten paar Seiten meine Hoffnung vollkommen zunichte gemacht, dass in
dieser Geschichte wenigstens irgendetwas
passieren würde.
Polly Horvath hat eine gefühlvolle
Geschichte erschaffen, die wunderbar das Thema der Trauer umfasst. Leider gibt
die Story selbst aber nicht allzu viel her, um nicht zu sagen fast gar Nichts. Echt
schade, denn die Charaktere sind wunderbar skurril und bilden eine schräge aber
liebenswerte Art von Familie.
Wer sehr auf
zwischenmenschliche Beziehungen und deren Analyse steht, kann dem Buch ruhig
eine Chance geben, wer aber spannende Storys liebt, sollte die Finger davon
lassen.
Von mir gibt es insgesamt leider
nur vier von zehn Cupcakes.
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